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der die Kinder gewahr wurde, rief er: „Guten Abend, Kinder-
chen, was macht ihr so spät auf dem Felde?" Die Kinder waren
anfangs erschrocken: als sie aber sahen, daß der Mond freundlich
lächelte, faßten sie ein Herz und sprachen: „Ach, wir haben uns
verspätet, und nun finden wir den Weg nicht mehr zu unserer
Mutter, weil es Nacht ist." Und sie weinten so laut, daß es
den guten Mond rührte. Da sprach er zu ihnen: „Wenn ihr
das Haus wohl kennt, wo eure Mutter wohnt, so will ich euch
ein wenig leuchten, daß ihr den Weg findet." Und der Mond
leuchtete ihnen so helle, als wenn es wieder Tag geworden wäre,
und die Kinder faßten Mut und eilten, so viel sie konnten, und
fanden glücklich den Weg. Als sie vor der Hausthür standen,
sagten sie: „Schönen Dank, lieber Mond, daß du uns geleuchtet
hast!" Er antwortete: „Es ist gern geschehen. Aber eilt nun,
daß ihr zu eurer Mutter kommt; denn sie hat sich schon viel
um euch geängstigt."
33. Das Fünkchen.
(Curtirían.)
Das Kind hatte mit dem Fünkchen gespielt, obgleich seine
Mutter es schon oft verboten hatte. Da war das Fünkchen fort-
geflogen und hatte sich ins Stroh versteckt. Aber das Stroh
fing an zu brennen, und es entstand eine Flamme, ehe das Kind
daran dachte. Da wurde es dem Kind bange, und es lief fort,
ohne jemandem etwas von der Flamme zu sagen. Und da niemand
Wasser darauf schüttete, ging die Flamme nicht aus, sondern
breitete sich im ganzen Hause aus. Als sie an die Feustervor-
hänge kam, wurde sie ttodj größer, und das Bett, worin sie des
Nachts schliefen, brannte hell auf, und die Tische und die Stühle
und die Schränke und alles, was der Vater und die Mutter
hatten, das wurde vom Feuer gefaßt, und die Flamme wurde
so hoch wie der Kirchturm. Da schrieen alle Leute vor Schrecken,
die Soldaten trommelten, die Glocken läuteten; es war fürchter-
lich zu hören und die Flamme schrecklich zu sehen. Nun fing
man an zu löschen mit Wasser, das man in das Feuer schüttete
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dessen sein Gewehr angelegt und aus den armen thasen gezielt; blitz, gab
es ^cuer, und kr lall, lag der chafe aus denr Grase. Das erschrockene
Reh floh, so schnell es konnte, in den Wald; der Aaro aber sprang
hin und brachte den geschossenen chafen in seinem Maule herbei, setzte
sich so vor uns und wartete, bis der Onkel ihn abnahm und in den
Ranzen steckte. Nun war es fast dunkel, und wir eilten, daß wir nach
chause kamen.
90. Warnung.
(Aiischütz.)
Fuchs, du hast die Gans gestohlen,
gieb sie wieder her!
Sonst wird sie der Ästiger holen
mit dem Schießgewehr.
Seine große, lange Flinte
schießt aus dich den Schrot,
daß dich färbt die rote Tinte,
und du bist dann tot.
Liebes Füchslein! Laß dir raten,
sei doch nur kein Dieb!
Nimm, du brauchst nicht Gänsebraten,
mit der Maus fürlieb!
91. Rätsel.
Tin Schaft und ein Rohr,
ein Schloß liegt davor,
ein Stock steckt daran;
greis's ja nicht an!
92. Rätsel.
Ohren hat es lang, ein Schwänzchen hat es kleill,
wie der wind läuft es in den Wald hinein,
der Jäger mit chund und Flinte hinterdrein.
In seiner Tasche bringt er es nach chaus,
die Aöchin zieht ihm das chelzchen aus
und macht einen köstlichen Braten daraus.
99. Der Fuchs und die Weintrauben.
(Fabel nach Äsop.)
Der Fuchs sah au einer Gartenmauer köstliche Weintrauben und
wollte davon naschen. Tr sprang in die chöhe; aber sie hingen gar
hoch, und er konnte sie nicht erreichen. Zuletzt that er noch einen kräf-
tigen Sprung und fiel darüber rücklings zur Trde.
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Die Mühle dann Hink ihre Räder bewegt:
Klipp, klapp!
Und schenkt uns der Himmel nur immerdar Brot,
so sind wir geborgen und leiden nicht Not!
Klipp, klapp! klipp, klapp! klipp, klapp!
1 Ob. Der Teich.
(Curtman.)
Nicht weit von der Mühle ist ein Teich, dessen Wasser
so breit ist, dass man keinen Steg darüber legen, nicht ein-
mal mit einem Steine darüber werfen kann. In diesem Teich
sind Fische, grosse und kleine, bräunliche und gräuliche,
die schwimmen hin und her und sind bald oben auf der
Fläche, bald unten auf dem Grunde. Wirft man ihnen ein
Bröckchen Brot ins Wasser, so schwimmt ein ganzer Trupp
herbei und schnappt darnach. Anfangs sind es nur kleine
Tischchen, welche sich sammeln; hernach kommen aber
auch grössere: Karpfen, so breit, wie meine Hand, und
Hechte, so lang wie mein Arm. Vor den Hechten fürchten
sich die anderen; denn sie sind Raubfische, sie haben scharfe
Zähne und heissen die kleinen Tischchen tot und fressen
sie. Und ihr könnt euch auch hüten, dass euch kein Hecht
in die Finger heisst. Der Müller will auch die kleinen
Tischchen nicht alle gefressen haben und lässt deshalb nicht
viele Hechte in dem Teiche. Wollt ihr wissen, wie er sie
fangt? Ich habe ihm einmal zugesehen. Da nahm er
einen Angelhaken von Stahl, der war sehr spitz, band eine
lange Schnur daran und befestigte sie an einen Stock; das
Ganze nannte er seine Angel. Nun nahm er einen Regen-
wurm unter einem Steine heraus, steckte diesen so in den
Haken, dass man die Spitze nicht sah, und dass man meinte,
der Wurm schwimme im Wasser. Hierauf setzte er sich
ganz ruhig an das Ufer und liess die Angel in das Wasser
hängen. Uber eine Weile kam ein grosser Hecht, betrachtete
den Wurm und dachte: „Ei der soll mir gut schmecken.“
Geschwind fuhr er darauf los, sperrte sein Maul weit auf
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64. Rätsel.
Ich weiß ein bunt bemaltes Haus;
ein Tier mit Hörnern schaut heraus,
das nimmt bei jedem Schritt und Tritt
sein Häuslein auf dem Rücken mit.
Doch rührt man an die Hörner sein,
zieht's langsam sich ins Haus hinein.
Was für ein Häuschen mag das sein?
65. Rätsel.
Erst weiß wie Schnee,
dann grün wie Gras,
dann rot wie Blut,
und ißt man's nun, dann schmeckt es gut.
66. Rätsel.
Es steht im Acker,
hält sich grün und wacker,
hat viele Häute,
beißt alle Leute.
67. Rätsel.
Ich sah ein Büblein kerngesund
mit frischen, roten Wangen,
mit einem Köpfchen kugelrund
hoch, hoch im Walde hangen.
Kopfunter, denkt euch! hing es da
und schien vergnügt und munter;
und als ich es so baumeln sah,
da fiel es, patsch! herunter.
Es fiel mir auf die Rase gar,
das schien mir sehr vermessen;
drum hab' ich gleich mit Haut und Haar
das Bürschlein aufgegessen.
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Aber sein Herr bemerkte ihn auch und beschloß, das träge Tier zu strafen.
Er belud ihn daher des andern Tages mit Schwämmen und trieb ihn
durch eben diesen Bach. Auch setzt legte sich der Esel in der Mitte nieder.
Aber wie erschrak er, als er wieder aufstand und seine Bürde mehr als
noch einmal so viel verstärkt fühlte. Kaum daß er sie ertragen konnte.
Und niemals ward wieder dieses Kunststück von ihm versucht.
174. Der Bär und die Bienen.
(Dinttr.)
In Polen brummt ein wilder Bär:
„Ihr Bienen, gebt mir den Honig her!
Ich bin so groß und ihr so klein,
ihr sollt mir wahrhaftig nicht hinderlich sein."
Und eh' die Bienlein sich's versahn,
so klettert er den Baum hinan.
Er klammert sich fest und brummt und brummt,
das Bienlein summt, das Bienlein summt.
„Ihr Bienen, gebt mir den Honig her!"
„Es wird nichts daraus, es wird nichts, Herr Bär!"
Der Bär steckt schon die Nase hinein:
„Weg da, ihr Bienen, der Honig ist mein!"
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zum Singen. Und als sie fertig waren und um ihn her standen, da nahm
er einen großen Farbenkasten und malte ihnen bunte Federn. Da kam
die Taube an die Reihe und erhielt einen blauen Hals und rötliche
Flügel, und der Kanarienvogel wurde so gelb wie eine Citrone, und die
Bachstelze wurde grau mtb bekam einen schwarzen Strich und einen weißen
Fleck daneben; mtb alle Vögel wurden prächtig gefärbt, wie es sich für jeden
schickt. Nur einer war übrig geblieben, weil er hinter den andern stand
und sich nicht vordrängen wollte, das war der Distelfink. Als er endlich
auch herbeikam, da hatte der liebe Gott alle Farben verbraucht, und es
war nichts mehr übrig als die leeren Schälchen. Da weinte das arme
Vögelchen, daß es nicht auch so ein buntes Federkleid haben sollte, wie
die andern. Der liebe Gott aber redete ihm zu und sprach: „Sei ruhig!
Es ist noch in jedem Schälchen ein klein wenig Farbe zurückgeblieben, das
will ich mit dem Pinsel austupfen und aus deine Federn streichen."
Und er that es und malte den Distelfink ein bißchen rot und ein bißchen
blau und ein bißchen schwarz und ein bißchen grün, aus allen Schälchen
ein wenig, so daß er der bunteste unter allen Vögeln wurde mtb dem lieben
Gott dankte, daß er ihn so schön gemacht hatte.
192. Der kleine Vogelfänger.
(Hoffmann von Fallersleben.)
„Wart, Vöglein, wart, jetzt bist du mein,
jetzt hab' ich dich gefangen,
in einem Käfig sollst du jetzt
an meinem Fenster hangen!"
„Ach, lieber Bnbe, sag mir doch,
was hab' ich denn begangen,
daß du mich armes Vögelein,
daß du mich hast gefangen?"
„Ich bin der Herr, du bist der Knecht;
die Tiere, bte da leben,
die sind dem Menschen allzumal
und mir auch untergeben."
„Das, lieber Bnbe, glaub' ich nicht,
das sollst du mir beweisen!"
„Schweig still, schweig still! Sonst brat' ich dich
und werde dich verspeisen!"
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„O nein/' sprach der Krebs, „das Ziel wäre zu fern. Ich dächte,
wir liefen eine halbe oder eine ganze Meile miteinander, das wird uns
beiden nicht zu viel sein."
„Eine Meile, eine Meile!" schrie der Fuchs eifrig, und der Krebs
begann wieder: „Ich gebe Euch auch eine hübsche Vorgabe; ohne daß
Ihr die annehmt, mag ich gar nicht laufen."
„Und wie soll die Vorgabe beschaffen sein?" fragte der Fuchs neu-
gierig. Der Krebs antwortete: „Gerade eine Fuchslänge soll sie beschaffen
sein. Ihr tretet vor mich, und ich trete hinter Euch, daß Eure Hinter-
füße an meinen Kopf stoßen, und wenn ich sage: Nun wohl hin! — so
heben wir an zu laufen."
Dem Fuchs gefiel die Rede wohl; er sagte: „Ich gehorche Euch in
allen Stücken." Und da kehrte er dem Krebs sein Hinterteil zu mit dem
großen und starken haarigen Schwänze; in den schlug der Krebs seine
Scheren, ohne daß der Fuchs es merkte, und rief: „Nun wohl hin!"
Und da lief der Fuchs, wie er in seinem Leben noch nicht gelaufen war,
daß ihn die Füße schmerzten, und als das Ziel erreicht war, so drehte
er sich geschwind herum und schrie: „Wo ist nun der dumme Krebs?
Wo seid Ihr? Ihr säumt gar zu lange!" Der Krebs aber, der dem
Ziele jetzt näher stand als der Fuchs, rief hinter ihm: „Herr Fuchs, was
will diese Rede sagen? Warum seid Ihr so langsam? Ich stehe schon
eine hübsche Weile hier und warte auf Euch? Warum kommt Ihr so
saumselig?"
Der Fuchs erschrak ordentlich und sprach: „Euch muß der Teufel
aus der Hölle hergebracht haben!" zahlte seine Wette, zog den Schwanz
ein und strich von dannen.
205. Die Ameisen.
(Oken.)
Die Ameisen sind ein gar sinniges Tiervölklein. Ein berühmter
Mann, Namens Franklin, erzählt uns folgende wahre Thatsache, die er
selbst beobachtet und aufgeschrieben hat. —
Er hatte von ungefähr ein irdenes Gefäß mit Sirup in einem
Schranke stehen. Eine Menge Ameisen waren hineingeschlichen und ver-
zehrten diesen Sirup; denn sie lieben besonders Süßigkeiten. Sobald er
dies wahrnahm, schüttelte er sie heraus und band den Topf mit einem
Faden an einen Nagel, den er mitten in die Decke des Zimmers schlug,
so daß das Gefäß an dem Stricke herunterhing. Zufällig war eine einzige
Ameise darin zurückgeblieben. Diese fraß sich satt. Da sie aber weg
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4
5. Einigkeit.
(Nach Curtman.)
Marie war zwei Jahre älter als ihre Schwester Bertha.
Die ältere Schwester wollte der jüngeren des Morgens beim
Anziehen nie helfen, darum gab es oft Zank und Streit. Da
sagte die Mutter eines Morgens: „Hört, Kinder, ich will euch
einmal ein Märchen erzählen. Aber erst müßt ihr im Zimmer
hübsch aufräumen und einander dabei helfen."
Da ging's flink an die Arbeit, und in kurzer Zeit war
das Zimmer in Ordnung. Darauf erzählte die Mutter: „Der
Zeigefinger hatte einst einen goldenen Ring angesteckt, in welchem
ein Edelstein glänzte. Deshalb wurde der Finger hochmütig und
wollte dem Daumen und dem Mittelfinger nicht mehr schreiben
helfen, obgleich alle drei die Feder halten müssen. Der geschmückte
Zeigefinger hielt sich für besser als die andern. Es war aber
auch ein wenig Faulheit dabei im Spiele. Die andern Finger-
waren erzürnt und dachten: Du wirst uns doch auch noch einmal
nötig haben, und dann helfen wir dir auch nicht.
Nach einigen Tagen wollte der Zeigefinger eine Blume
pflücken; aber weil der Daumen und die andern Finger nicht
behilflich waren, so mußte er die Blrune stehen lassen. So
ging es ihm auch, wenn er Kirschen vom Baume nehmen wollte.
Da sah er endlich ein, daß er ohne die andern Finger nichts
machen konnte, und es war ihn: nun leid, daß er so hochmütig
gegen seine Mitbrüder gewesen war.
6. Was ein Reitersmann haben muß.
(Güll.)
Ein Reitersmann muß haben:
ein Pferdlein, um zu traben,
den Bügel, aufzusteigen,
den Zügel, auszuweichen,
den Sattel, fest zu sitzen,
die Peitsche, um zu flitzen,
die Sporen, um zu wecken,
den Helm, das Haupt zu decken,
die Lanze, um zu spießen,
Pistolen, um zu schießen,
den Säbel an der Seiten;
dann kann er lustig reiten.
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Das Kind gehorcht; doch ein geheimer Trieb
und das Verbot verschönerten die Schere.
„Ja," spricht es zu sich selbst,
„wenn es die Gabel wäre,
die hab' ich lange nicht so lieb,
so ließ ich sie mit Freuden liegen.
Allein die Scher' ist mein Vergnügen,
sie hat ein gar zu schönes Band.
Gesetzt, ich ritzte mich ein wenig in die Hand,
so hätte dies nicht viel zu sagen.
So klein ich bin, so hab' ich ja Verstand,
und also werd' ich's immer wagen,
sobald die Mutter nur die Augen weggewandt.
Doch nein, weil Kinder folgen müssen,
so wär' es ja nicht recht gethan.
Nein, nein, ich sehe dich bloß an;
o schöne Schere, laß dich küssen!
Ich rühre ja kein Messer an,
so werd' ich doch" —- schon griff es nach der Schere.
„Ja, wenn ich unvorsichtig wäre,
da freilich schnitte mich die Schere;
allein ich bin ja schon mit ihr bekannt."
So sprach's — und schnitt sich in die Hand.
Die Mutter kam. O welche harte Lehre!
„Ach," hub das Kind fußfällig an,
„es kränkt mich sehr, daß ich's gethan.
Ich bitte dich, zerbrich du doch die Schere,
damit ich sie nicht mehr begehre
und ohne Zwang gehorchen kann."
Im Brei ein einzig faules Ei
macht, daß man ihn nicht essen kann.
Beim Spiel ein einzig zänkisch Kind
verdirbt die ganze Lust daran.
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